FORELLE BLAU

Sie ist schon so selten wie die „Blaue Mauritius“ zu bekommen, denn „Forelle blau“ ist auf (vielen) Speisekarten verschwunden und damit eine Zubereitungsart und ein Genuss, der heute nur noch einem Fischer und seinen guten Freunden vorbehalten ist. Das ist die wunderbare Hommage an einen Klassiker der Fischküche, der tatsächlich immer mehr in Vergessenheit gerät. Die „Forelle blau“ ist das ultimative Testat für die Frische des Produkts.

Während man bei der „Müllerin Art“ kleine Makel durch Butter, Knoblauch und Mehl kaschieren kann, ist die blaue Zubereitung gnadenlos ehrlich.

Mit ausgenommen 80 dag ist eine Regenbogenforelle eine perfekte Portion für drei Personen.

Warum die „Blaue“ so selten geworden ist

Es gibt vor allem zwei Gründe, warum dieses Gericht von den Speisekarten verschwindet:

  • Das Verschwinden der Hälterungsbecken (oft fälschlicherweise einfach „Aquarien“ genannt) ist tatsächlich der Hauptgrund dafür, dass die „Forelle blau“ von den Speisekarten verschwindet. Früher gehörte das Becken im Gastraum oder in der Küche zum Stolz eines jeden Fischrestaurants. Heute ist dieser Anblick zur Seltenheit geworden. Das hat handfeste, teils bittere Gründe:
  • Strengere Tierschutzauflagen
    Die gesetzlichen Anforderungen an die Haltung von Lebendfischen in der Gastronomie sind massiv gestiegen. Wer heute ein solches Becken betreibt, muss strenge Regeln befolgen:
  • Wassertemperatur: Diese darf 15 °C bis 18 °C nicht überschreiten (bei Salmoniden wie Forellen eher kühler), was, wenn kein Quellwasser vorhanden ist, ev. teure Kühlsysteme erfordert.
  • Sauerstoff & Reinigung: Es braucht eine konstante Überwachung des Sauerstoffgehalts und tägliche Reinigungsprotokolle.
  • Besatzdichte: Früher drängten sich die Fische oft in kleinen Becken – heute ist die zulässige Anzahl pro Liter streng begrenzt.
  • Stressvermeidung: Die Becken müssen oft an drei Seiten blickdicht sein oder dürfen nicht im Durchgangsbereich der Gäste stehen, um den Fluchtreflex der Tiere nicht ständig zu trigern.
  • Der „Blick des Gastes“ (Ethik vs. Appetit)
    Die Wahrnehmung der Gäste hat sich gewandelt. Während es früher ein Qualitätsmerkmal für „Fangfrische“ war, empfinden viele moderne Restaurantbesucher den Anblick lebender Tiere in kleinen Becken – direkt neben dem Esstisch – zunehmend als befremdlich oder gar unethisch. Viele Wirte scheuen heute diese emotionale Diskussion im Gastraum.
  • Bürokratie und Ausbildung
    Ein Wirt darf nicht einfach so Fische hältern. Er braucht einen Sachkundenachweis (Tierschutz-Schulung) und muss das Töten fachgerecht (Betäubung durch Kopfschlag, Herzstich) nachweisen können. Viele junge Köche lernen diese Fertigkeit kaum noch in der Tiefe, da sie oft nur mit bereits filetierter Ware arbeiten.
  • Wirtschaftlichkeit
    Ein Hälterung Becken verursacht hohe laufende Kosten für Strom (Kühlung/Pumpe) und Wasser. Auch bei Fisch kalkulieren viele Gastronomen heute knapper und verzichten auf den logistischen Aufwand der Lebendhaltung.
  • Wissen Sie noch ein Gasthaus, das heute noch ein solches Becken betreibt? Meist findet man sie nur noch in traditionellen Häusern direkt an Seen oder bei Fischereibetrieben mit angeschlossener Gaststube.
  • Der Faktor Zeit & Frische: Damit sich die Schleimschicht des Fisches durch den Essig Sud blau färbt, muss die Forelle absolut fangfrisch sein. Sobald der Fisch einige Stunden liegt, baut sich die Schleimschicht ab – der chemische Effekt bleibt aus, und der Fisch wird grau statt kornblumenblau.
  • Handhabung:
    Die empfindliche Haut darf beim Fang und Transport kaum berührt werden. Ein Fischer muss sie sprichwörtlich „mit Samthandschuhen“ anfassen, damit die natürliche Schutzschicht intakt bleibt.

Die Konsequenz: Ohne Hälterung keine lebende Forelle; ohne lebende Forelle keine intakte Schleimschicht (Mucin); ohne Schleimschicht keine blaue Farbe.

Das Geheimnis des Suds

Die Kunst liegt in der Zubereitung des Essig-Weißwein-Sud.

Es liegt die Nobless in der Einfachheit. Ein perfekter Sud (Court-Bouillon) braucht eigentlich nicht viel, um den Eigengeschmack zu heben:

  • Säure: Hochwertiger Weißweinessig (entscheidend für die Farbe).
  • Aromatik: Ein Schuss trockener Riesling, Pimentkörner, Lorbeer, Wacholder und eine Prise Meersalz.
  • Technik: Der Sud darf niemals sprudelnd kochen, wenn der Fisch hineinkommt. Die Forelle muss bei etwa 75 °C bis 85 °C sanft gar ziehen (pochieren), damit das Fleisch saftig bleibt und nicht zerfällt.

Die perfekte Begleitung

Wenn man schon das Glück hat, an eine solche Rarität zu kommen, sollte man auch bei den Beilagen puristisch bleiben:

  • In Butter geschwenkte Salzkartoffeln (am besten festkochende Sorten wie Sieglinde oder Linda).
  • Ein Klecks Sahnemeerrettich für die nötige Schärfe.
  • Ein Glas kühler, mineralischer Weißwein.
Alleine das Sud-Ansetzen ist ein Erlebnis und zumeist brauchen wir hier schon ein gutes Tröpfchen fürs Töpfchen und ein zweites fürs Kröpfchen und das macht die Kochzeit beschwingter und kurzweiliger.

Meditative Küche

Unter einer meditativen Küche versteht man eine Art des Kochens (und Essens), die sich völlig vom modernen Stress, von Zeitdruck und technischem Übermaß abkoppelt. Es geht nicht um das schnelle „Sattwerden“, sondern um den Prozess und die absolute Präsenz im Augenblick. In Bezug auf meine geliebte „Forelle blau“ ist dieser Begriff besonders passend, da dieses Gericht keine Hektik verträgt.

„Forelle blau“ ist ein meditatives Essen – man wird gezwungen, langsam und achtsam zu genießen, um die feinen Nuancen des Fischfleisches wahrzunehmen.

Fangfrisch in die Küche

Die Kunst ist eine Forelle, am am selben Tag heraus zu fischen und zu verkocht. Doch damit bekommt man die wohl nobelste Zubereitung, die auch die einfachste ist: ab in den Wein-Essig-Sud und in diesem, je nach Größe der Fische 15-20 Minuten ziehen lassen. Damit hat man ein wahrlich grandioses auf das Wesentliche konzentriertes Fisch-Essen.

Ein Seeforellen Quartett mit Wurzelgemüse.

Damit die Forelle beim Poschieren die erwünschte Blaufärbung erhält, muss sie wirklich frisch sein. Früher hatten die Wirtshäuser, wie beim Hotel Post in Weyregg am Attersee ein Aquarium, in dem die Forellen schwammen um als „Forelle blau“ serviert zu werden.

Ein weiterer Vorteil einer „Forelle blau“ ist, dass sie sich hervorragend von den Gräten löst. Die aufgerissenen Haut im Schwanzbereich ist ein Zeichen der Frische.

Den es darf die empfindliche Schleimschicht, die den Körper umgibt, nicht beschädigt werden. Man muss auch beim Ausnehmen und beim Zubereiten darauf sehr sorgsam achten, dass diese nicht beschädigt wird.

Das Gemüse in Julienne dazu, mit Salzkartoffel oder wir essen die „Blaue“ auch gerne mit Kartoffelpüree. 

Beim servieren einer „Forelle blau“ brauchte es nicht viel. Es reicht zerlassene Butter, Salzkartoffel und als Salat einen Forellenschluss. Auch sollte man die Weinbegleitung nicht vergessen. Die Wein-Auswahl treffe ich zumeist schon beim Kochen mit und damit wird das Kochen schon zu einem mehrdimensionalen Erlebnis. 🙂

„ratz fatz“ war sie vernascht und es zeigt, dass die „Einfachheit“ der Forelle blau eine enorme Anziehungskraft besitzt, sobald sie erst einmal auf dem Tisch steht.

Hohe Kunst der Fisch Ess-Kultur

Es beweist auch: Wenn die Qualität stimmt, braucht es kein Chichi. Die Kombination aus dem zarten, fast cremigen Fleisch und der leichten Säure des Suds sorgt für einen instinktiven Genuss, bei dem man gar nicht aufhören kann zu essen.

Vielleicht ist das genau der Weg, um die „geschädigten Gaumen“ wieder zu heilen – man muss ihnen gar nicht viel erklären, man muss sie einfach nur probieren lassen. Der Kontrast zwischen der leuchtend blauen Haut und dem lachsfarbenen Fleisch ist zudem optisch so ansprechend, dass selbst Skeptiker meist neugierig zugreifen.

Forelle blaugehört zur Esskultur im Salzkammergut und diese Tradition muss man hochhalten und kann damit seinen Gäste und die Familie begeistern. Solche Erlebnisse sorgen dafür, dass die „Blaue Mauritius“ der Küche eben doch nicht ganz ausstirbt.

Weitere Informationen

Wenn man in alten Kochbüchern schmökert, sieht man erst, wie reichhaltig die Fischküche in unseren Breiten einst war – mit einer Fülle an Rezepten für heimische Fische und Edelkrebse. Es ist bedauerlich, aber wahr, dass der Rückgang der natürlichen Fischbestände und das Verschwinden großer Edelkrebsvorkommen in Verbindung mit der Zunahme von Fisch-Importen und einer simplifizierten „Fischstäbchen-Kultur“ zu einer Monotonisierung unserer Fischküche geführt haben.
Mitteleuropa hatte einst eine sehr ausgeprägte Fischkochkultur. Im „Neue Saltzburgisches Kochbuch“ von 1719 sind 450 Re­zepte dem Fisch gewidmet, ein knappes Fünftel aller im Buch enthaltenen Rezepte. Das ist eine beachtliche Menge, selbst wenn man bedenkt, dass bis ins 19. Jahrhundert sämtliche Wasser Bewohner und Weichtiere – also etwa auch Schnecken, Frösche, Biber und Fischotter – zu den Fischen gehörten und fleißig verkocht wurden. Zum Vergleich: In heutigen Plachuttas Die gute Küche sind we­niger als 50 von rund 1000 Rezepten dem Fisch gewidmet.
 

„Wenn der Gaumen über Jahrzehnte auf das Trio

Fett, Panade und Remoulade konditioniert wurde,

wirkt die subtile Eleganz einer Forelle blau fast schon wie eine Provokation der Einfachheit.“

Zitat: Heimo Huber