DIE GESCHICHTE DER KULINARISCHEN FLUSSKREBS ZUBEREITUNG

Es ist zwar entmutigend, mit ansehen zu müssen, wie kulinarische Traditionen verschwinden und bereits verschwunden sind, doch die Leidenschaft von einigen wenigen, die diese Gerichte wertschätzen und in Erinnerung behalten, ist entscheidend dafür, sie am Leben zu erhalten. Auch das Interesse am Kochen zu Hause, das durch Kochshows, Blogs und Bildungsinitiativen angeregt wird, wird dazu beitragen, alte traditionelle Rezepte und Techniken zu bewahren. »Die Monde ohne R sind gut zum Reisen, zum Hochzeit Machen und zum Krebse Speisen« besagt eine alte Volksweisheit. Krebse gehörten einst zu den Volksnahrungsmitteln. Im mittelalterlichen Wien wurde der Krebsmarkt seit ältester Zeit am Hof abgehalten, wie schon Wolfgang Schmeltzl (*) in seinem »Lobspruch auf Wien« (16.Jhd) berichtet:

»Fünfftzig Fuder krewssen ich sah!
Der Krewssenrichter zu mir sprach:
Mein freund, laßt euchs kein wunder sein,
Denck wohl, daß khommen seind herein
Hundert Fuder auff ein tag,
Und all verkaufft wordn, wie ich sag.
Glaub nit, daß sovil krewssen erwischt,
Ob sunst zway Land wurden ausgefischt.‹«

(*) Wolfgang Schmeltzl (ca. 1505–1564) war ein deutscher Lehrer, Schriftsteller und Komponist sowie römisch-katholischer Geistlicher.

Genuss vom Fluss – Bezugsquelle für Flusskrebse

Wildfang-Flusskrebse aus der Traun, für die gehobene Gastronomie bei Abnahme von
> 20 Kg/Lieferung. Geliefert wird lebend und daher muss die Lieferung exakt abgestimmt werden, da die Flusskrebse unmittelbar nach Lieferung verarbeitet werden müssen.

Anfragen über Signalkrebs-Lieferungen bitte per EMail an: genussvomfluss@gmail.com

Hauptsaison ist Juli und August und in diesen Zeitraum sollte man sich mit Flusskrebsen eindecken, auch wenn sie erst zu Silvester oder zum Aschermittwoch-Büffet gebraucht werden!

Aufgrund des aufwändigen Fang, sind Flusskrebse im Vergleich zu importierten Krebsen oder anderen Meeresfrüchten teuer. Wobei vor allem die Aufwände und Kosten in der Zubereitung liegen und speziell das pullen der Krebsschwänze sehr arbeitsintensive ist.

Der Krebs Richter

Dieser »Krebsen Richter « hatte dafür zu sorgen, dass nur lebende und gesunde Krebse zum Verkauf gelangten; er mußte alle »crepirten Krepsen« schon bei der Schlagbrücke, der heutigen »Schwedenbrücke« – bevor sie auf den Markt gelangten -, vernichten. Nach 1555 wurde der Krebsmarkt Wiens auf den Hohen Markt und 1768 an den Stadtwall beim ehemaligen Fischertor verlegt. Selbst als er vor das Schottentor verlegt wurde, amtierte der »Krebsen Richter « immer noch. Freiherr v. Hohberg schrieb 1682:

»Es werden ganze Wagen voll,
in Decken von Rohr eingemacht, nach Ödenburg,
Preßburg und Wien geführt und allda um einen wohl-
feilen Wert verkauft.«

Der Krebsturm – Wiener Art

Dabei handelt es sich um Flusskrebse, die früher in österreichischen Flüssen und Bächen reichlich vorhanden waren. Während sich „Wiener Art“ meist auf die Zubereitung impliziert eine raffinierte, oft elegante Zubereitung, manchmal mit Schwerpunkt auf frischen, hochwertigen Zutaten und delikaten Aromen.

Krebsturm Wiener Art

Angesichts Ihrer Beobachtung, dass solche Gerichte heute selten sind, dürfte es schwierig sein, ein präzises, weithin bekanntes Rezept für „Krebsturm Wiener Art“ zu finden, da es sich dabei oft um regionale Spezialitäten handelte, die in Familien oder bestimmten Restauranttraditionen weitergegeben wurden. Anhand der historischen Wiener Küche und traditioneller Flusskrebs-Zubereitungen lässt sich jedoch ableiten, was ein solches Gericht wahrscheinlich beinhalten würde:

Wahrscheinliche Merkmale des „Krebsturms Wiener Art“

  • Flusskrebse: Dies wäre die Hauptzutat, was die lokale Verfügbarkeit widerspiegelt.
  • Feinschmecker-Zubereitung: Der Fokus liegt auf der Hervorhebung des süßen, subtilen Geschmacks der Krebse. Dies bedeutet, aufdringliche Gewürze zu vermeiden.
  • Elegante Präsentation: Ein „Turm“ impliziert eine geschichtete oder geformte Präsentation und suggeriert Eleganz.

Klassische Wiener Zutaten

  • Die Sauce Mornay, auch Mornaysauce, ist eine Abwandlung der Béchamelsauce. Sie wurde wahrscheinlich nach dem französischen Staatsmann Philippe Duplessis-Mornay benannt. Eine reichhaltige, cremige Sauce, möglicherweise mit einem Hauch Weißwein oder Brandy, um das Krebsfleisch zu binden.
  • Kräuter: Frische Petersilie, Dill oder Schnittlauch wären üblich.
  • Gemüse: Fein gewürfelte Mirepoix – der Begriff Mirepoix entstammt der französischen Küche und ist dort die aromatische Grundlage für eine Vielzahl unterschiedlicher Gerichte. Es beschreibt eine Gemüsemischung aus gleichmäßig in kleine Würfel geschnittenem Wurzelgemüse, meist Karotten, Sellerie und Zwiebeln aber auch Wurzelpetersilie.
  • Je kleiner die Gemüse beim Mirepoix geschnitten werden, desto intensiver ist das Aroma, weil mehr Oberfläche vorhanden ist.
  • Die Gemüse werden in Fett – meist Butter oder Olivenöl – angeschwitzt, um Süße und Aroma zu erreichen, der gut zu Flusskrebsen passt.

Rezeptkonzept – Rekonstruktion nach traditionellen Wiener Prinzipien

Dies ist eine Konzeptskizze, da ein spezifisches „Krebsturm Wiener Art“-Rezept in modernen Suchen selten zu finden ist. Es ist eine Mischung aus historischem Kontext und typisch österreichischen Kochtechniken.

Zutaten:

  • 1–1,5 kg lebende Flusskrebse
  • 1–2 Karotten, fein gewürfelt
  • 1 Stange Sellerie, fein gewürfelt
  • 1 kleine Stange Lauch, weißer Teil, fein gewürfelt
  • 2–3 Schalotten, fein gehackt
  • 2–3 Knoblauchzehen, gehackt
  • 200 ml trockener Weißwein (z. B. Grüner Veltliner)
  • 500 ml Fischfond (idealerweise aus Flusskrebsschalen) oder hochwertige Gemüsebrühe
Aus den Flusskrebs-Karkassen mache ich einen Fond für die Weiterverarbeitung als Krebsschaumsuppe etc..
  • 50–100 ml Sahne (Schlagsahne)
  • 2–3 Blatt Gelatine (für Terrine/Türmchen) oder mehr, wenn eine festere Aspik gewünscht wird
  • Frisch gehackter Dill
  • Frische gehackte Petersilie
  • Butter
  • Salz, weißer Pfeffer
  • Prise Muskatnuss
  • Zitronensaft (ein Spritzer)

Optional: ein Schuss Brandy oder Cognac

Flusskrebse zubereiten

Einen großen Topf Salzwasser zum Kochen bringen. Einige Zweige Dill, Pfefferkörner und eventuell ein Lorbeerblatt hinzufügen. Die lebenden Flusskrebse (sanft und schnell) in das kochende Wasser geben. 5–7 Minuten kochen, bis sie leuchtend rot sind. Sofort herausnehmen und in ein Eisbad legen, um den Garvorgang zu stoppen. Dadurch bleibt die Konsistenz erhalten. Sobald die Krebse ausreichend abgekühlt sind, sorgfältig schälen und das gesamte Schwanzfleisch entfernen. Die Schalen aufbewahren.

Die Schwänze von allen „Schlammadern“ befreien. Das Fleisch beiseitestellen.

Flusskrebsbrühe zubereiten

Die beiseite gelegten Flusskrebsschalen in einem Topf in etwas Butter anbraten, bis sie duften. Die Hälfte der gewürfelten Karotten, des Selleries, des Lauchs und der Schalotten hinzufügen. Einige Minuten anbraten. Mit Weißwein ablöschen und um die Hälfte reduzieren. Fisch- oder Gemüsebrühe hinzufügen. Mindestens 30 Minuten köcheln lassen und dabei alle Unreinheiten entfernen. Die Brühe durch ein feinmaschiges Sieb passieren und die festen Bestandteile gut ausdrücken. Das ergibt die aromatische Basis.

Füllung zubereiten

Butter in einem Topf schmelzen. Restliche Karottenwürfel, Sellerie, Lauch und gehackte Schalotten darin anbraten, bis sie weich, aber nicht gebräunt sind. Den gehackten Knoblauch kurz unterrühren. Das gekochte Flusskrebsfleisch hinzufügen (manchmal fein hacken, größere Stücke für die Konsistenz übrig lassen). Mit etwas Weißwein oder Brandy (optional) ablöschen und kurz einkochen lassen.

Etwa 150–200 ml der vorbereiteten Flusskrebsbrühe und die Sahne hinzufügen. Leicht köcheln lassen, bis die Flüssigkeit etwas einkocht und andickt. Mit Salz, weißem Pfeffer und einer Prise Muskatnuss würzen. Ein Spritzer Zitronensaft verfeinert den Geschmack. Frischen Dill und Petersilie unterrühren.

Wiener Krebs-Turm zusammenstellen

Gelatineblätter in kaltem Wasser einweichen. Etwas (ca. 100 ml) abgeseihten Flusskrebsfond (oder nach Belieben etwas von der Füllflüssigkeit) erhitzen und die eingeweichte Gelatine darin auflösen. Gut umrühren. Die Gelatinemischung vorsichtig in die Flusskrebsfüllung einarbeiten. Gut verrühren.

Für eine Terrine: Eine kleine Terrinenform oder Kastenform mit Frischhaltefolie auslegen, sodass etwas Folie übersteht. Die Flusskrebsmischung gleichmäßig einschichten und leicht andrücken. Für einzelne Türme: Ringformen auf Tellern oder kleine Förmchen verwenden. Abgedeckt mehrere Stunden oder über Nacht im Kühlschrank fest werden lassen.

Servieren

Terrine oder Türme vorsichtig aus der Form lösen. Bei Verwendung einer Terrine diese vorsichtig in Scheiben schneiden. Garnieren Sie mit frischen Dillzweigen, einer Zitronenscheibe und eventuell etwas fein gehacktem hartgekochtem Ei oder Kresse. Gekühlt servieren, gerne mit einer leichten Dillmayonnaise, Toastspitzen oder einem einfachen grünen Salat mit Vinaigrette.

Diese „Krebsturm Wiener Art“ wäre ein Beweis für die elegante, delikate und zutatenorientierte traditionelle Wiener Küche, die lokale, frische Produkte in den Vordergrund stellt. Sie ist ein schönes Beispiel für die kulinarische Kunstfertigkeit, die, wie man jetzt mit der guten Verfügbarkeit von Flusskrebsen wieder aufleben lassen kann.

Bis tief ins 19. Jahrhundert behaupteten die Krebse aus Österreich und Ungarn ihren guten Ruf. Krebse aus dem Komitat Szala – das Komitat Zala – ungarisch Zala vármegye war eine Verwaltungseinheit im Westen des Königreichs Ungarn – nannte man die Flusskrebse »Solokrebse«. Wien konsumierte noch gegen Ende des 19. Jahrhunderts jährlich 600.000 Stück, 1890 waren es sogar 907 000 Stück. Das »Appetit-Lexikon« nennt den Krebs einen

»gar vornehmen Tafelpatrizier, dem man sich zur Vermeidung böser Nachrede und noch
böserer Flecken im weißen Leinen nur mit färbiger Serviette vorstellen soll«.

Vermerk: Tafel Patrizier könnte auf Speisen oder die Tafelkultur der Oberschicht hindeuten.

Alte Arzneibücher empfehlen

»Krebsschalen zu Aschen brennen, mit Honig und Enzian getrunken,
heilt rasenden Hunde Biss.«

Schon Rumpolt führte in seinem »New Kochbuch«, 1581, Würste aus Krebsen an. Noch F. G. Zenker bringt in »Kochkunst«, 1824, ein Rezept »Krebs-Würste«. Bei zeitgenössischen Schauessen mischte man unter die toten Krebse lebende, die man mit starkem Branntwein rot färbte. Dazu heißt es:

»Das wird einen artigen Possen geben.«

Vermerk: Possen = derber Streich, Unfug, Schabernack

Kochkultur

Das älteste schriftliche Zeugnis österreichischer Kochbücher befindet sich heute im Besitz der Österreichischen Nationalbibliothek in Wien. Es ist eine Handschrift, vermutlich aus dem 15. Jahrhundert, das »puech des closters zu sand dorothe zu wienn« (Cod. Vind. 2897). Eine beliebte Speise darin war der Fisch in Form eines »Rehrückens«. Die Rezepte »Erbsen am Spieß«, Pasteten von Fischen, gefüllter Aal und Speisen mit Krebsen.

Flusskrebs Grundrezepte

Für 4 Personen werden benötigt: 80 Krebse, etwa 2-3 l Kochwasser, 30 g Salz, 1 TL Kümmel, einige Dillstengel, etwas Petersilien- und Selleriegrün Nur lebende Krebse verwenden, wobei die Bachkrebse den Flusskrebsen vorzuziehen sind. Feinschmecker schätzen die 80 bis 100 g schweren Tiere.

Die Krebse werden unter fließendem Kaltwasser gebürstet und sauber gewaschen. Dann bringt man das Kochwasser zusammen mit Salz und Kümmel, Dille und dem Grünen zum Kochen und wirft die gereinigten Krebse mit dem Kopf voran in das siedende Wasser, und zwar nach und nach (das Wasser soll dabei nie zu kochen aufhören, damit die Tiere sofort getötet werden). Sobald alle Krebse im siedenden Wasser sind, die Temperatur drosseln.
Kochdauer: 7-10 Minuten.
Dann die Krebse aus dem Wasser heben, das Fleisch vorsichtig aus den Schweif und Scheren lösen und weiterverarbeiten.

Veränderter Geschmack und Wissen

Es gibt einen Generationswechsel in kulinarischen Vorlieben und Kenntnissen. Jüngere Generationen sind möglicherweise weniger mit traditionellen Gerichten vertraut oder haben weniger Kontakt zu ihnen. Auch die Kunst, komplexe, regionale Gerichte, beispielsweise mit Flusskrebsen, zuzubereiten, wird seltener gelehrt oder weitergegeben, was zu einem Rückgang der Anzahl von Köchen und Hobbyköchen mit entsprechendem Fachwissen führt.

Nachhaltigkeit und Verfügbarkeit

Auch wenn dies bei dem straken Aufkommen von Flusskrebsen aktuell nicht der Fall ist, kann die Verfügbarkeit dieser das breite Angebot in Restaurants und in der Hobby-Küche weniger attraktiv machen.

Heimo bei der Arbeit
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